Messer, Löffel und Gabel gehören heute zu den Utensilien unseres alltäglichen Gebrauchs. Dass das Besteck bis heute als selbstverständliches Dreier-Set, von Messer, Gabel und Löffel, betrachtet wird, ist eine Entwicklung von mehr als zweitausend Jahren.
Wandelt man das Wortspiel Ludwig Feuerbachs „Der Mensch ist, was er isst“, in „Der Mensch ist, wie er isst“ ab, so kann daran sehr schön die Gesinnung der verschiedenen Epochen aufgezeigt werden. D. h. die Art und Weise des Essgerätes, wie sich das Essgerät durch den Wandel der Nahrung in Form und Gestaltung anpasste, wie der Mensch aus der Notwendigkeit des Essens eine Zeremonie des Speisens macht.
Im Mittelalter galten Messer, Löffel und Pfriem (einzinkiger Spieß) als selbstverständliche Habe. Der Löffel mit flacher, runder Laffe aus Holz war das Essgerät aller. Er war nicht sehr kostbar und nutzte sich schnell ab. Daher gibt es heute kaum noch erhaltene Exemplare – war er abgenutzt, wurde er Opfer des Feuers. Die Oberschicht verzierte ihre Löffel mit Silber am Stil. Das Messer war aus Eisen und der Schaft manchmal aus Holz. Es besaß eine Spitze zum Aufspießen. Spricht man heute vom „Besteck“ so kommt dies von dem mittelalterlichen Brauch sein Essgerät „in den Köcher zu stecken“, den man mit sich führte, um es bei gemeinsamen großen Mahlzeiten dabei zu haben.
Im 16. bis 18. Jahrhundert vollzog sich ein Wandel zur verfeinerten Tischsitte, der u.a. durch die neuen Lebensmittel aus Übersee begründet war. In der Renaissance entfaltet sich der Prunk an den Essgeräten. In der Oberschicht wurden sie zum Statussymbol. Das Besteck wurde noch als stehendes Gerät im Köcher verwahrt. Dabei fällt auf, dass das Besteck als „stehendes“ Essgerät konzipiert wurde. Wurde das Messer, der Löffel und der Pfriem in den Köcher gesteckt, sah man die verzierten Enden. Die Verzierung der Stiele erfolgte zu repräsentativen Zwecken mit vollplastischen Figuren aus dem Alten Testament, der Mythologie und Allegorien. Die Messerschafte waren jetzt aus verschiedenen Materialien – Elfenbein, Bernstein, Email, Silber.
Im Barock und Rokoko wurde erstmals das Besteck als Set gestaltet, d.h. die Stiele von Messer, Löffel und der sich langsam durchsetzenden Gabel waren gleich gestaltet. An dieser Stelle ein Wort zur Gabel: In der Renaissance kannte man nur die zweizinkige Gabel, die vor allem beim Tranchieren und als Konfektgabel zum Einsatz kam. Mit Beginn des 17. Jahrhunderts kam eine weitere Zinke hinzu und am Ende des Jahrhunderts hatte sich die dreizinkige zu einer vierzinkigen Gabel, wie wir sie heute kennen, entwickelt. Der Akt des Tranchierens und Vorlegen bei Tisch aus der Zeit der Renaissance wurde zunehmend in die Küche verlegt. Das Tranchier- und Vorlegebesteck wurde überflüssig. Das Mitbringen seines eigenen Bestecks im Köcher war ebenfalls nicht mehr notwendig. Essgeräte befanden sich nun bereits auf der Tafel. In der Konsequenz wurde der Besteckdekor um 180° gedreht und das Besteck als „liegendes“ Essgerät entwickelt.
Bis zum 19. Jahrhundert erreichte die Gestaltung des Essgerätes ein Unmaß an Verspieltheit. Erst seit der Industrialisierung wendete man sich von der Ästhetik ab und schrieb dem Verwendungszweck die maßgebliche Bedeutung zu. England gab Impulse in der Materialverbesserung. Es wurden komplizierte Verfahren entwickelt, um jetzt auch Besteck aus Eisen, später Silber, zu gießen. Die Produktion, wie auch die Formung und Gestaltung, wurden mechanisiert. Dies bewirkte, dass sich auch die breite Bevölkerung Bestecke bzw. Bestecksätze leisten konnte. Der Wert wurde auf die Einfachheit gelegt, ohne Berücksichtigung der Verspieltheit der vergangenen Epoche. Der Klassizismus lehnte sich noch an die Vorbilder der klassischen Antike und der italienischen Renaissance, das Biedermeier verzichtete völlig darauf und das einfache, zweckmäßige Besteck trat in den Vordergrund. Im ausgehenden 19. Jahrhundert imitierte der Historismus noch einmal das Beste der vergangenen Stile. Teilweise wurde sogar auf die zweizinkige Gabel aus dem 15./16. Jahrhundert zurückgegriffen.
Das Ende des 19. Jahrhunderts war vor allem durch die Industrialisierung geprägt, wogegen sich einige Gruppen wehrten. England war wieder Impulsgeber. Die Arts and Crafts-Bewegung strebte die Rückkehr zum mittelalterlichen Handwerk an, ohne jedoch den ästhetischen Aspekt außer Acht zu lassen. Dies wirkte sich vor allem im Jugendstil aus. Der Formen- und Gestaltungsgeber war die Natur. Das Ornamental-Florale wurde mit der Zeit bis zum Abstrakt-Geometrischen stilisiert. Das Material und die Funktion des Essgerätes standen im Vordergrund. Der Werkstoff soll sichtbar bleiben und nicht verfremdet werden.
Ab 1921 wurden in Solingen die Essgeräte aus einem Werkstück geformt. Jetzt verlagerte sich die Form und Gestaltung der Stiele auf die der Klinge, Laffe und Zinke.
Heute sind unsere Bestecke, neben Silber, aus Aluminium gegossen oder aus poliertem Stahl. Sie sind ihrem Zweck angepasst – in Maß und Form. D.h. sie sollten nicht zu schwer sein, gut in der Hand liegen und sinnvolle Maße haben. Beispielsweise das Messer: der Griff ergonomisch geformt und nicht zu lang, die Klinge etwas kürzer und evtl. abgeschrägt. Die Spitze verlor das Messer bereits im Rokoko, da zum Aufspießen die Gabel verwendet wurde.
Literatur (Auswahl):
Amme, Jochen: Historische Bestecke. Formenwandel von der Altsteinzeit bis zur Moderne, Stuttgart 2002.
Benker, Gudrun: Alte Bestecke. Ein Beitrag zur Geschichte der Tischkultur, München 1978.
Marquart, Klaus: Europäisches Essbesteck aus acht Jahrhunderten. Eine Kunstsammlung, Stuttgart 1997.