Kaffee sowie auch Tee und Schokolade erobern als Heißgetränke der Neuen Welt im 17. Jahrhundert zuerst die Mahlzeiten der Oberschicht. Um 1650 fanden die neuen Heißgetränke nur Verwendung als Medizin. Rund 50 Jahre später hatten sie sich fest in deutschen Städten und am Hof als Getränke etabliert. Jedoch war nicht das Getränk an sich von Bedeutung, sondern eher die Form, nämlich als Repräsentations- und Selbstinszenierungsobjekt. In diesem Zusammenhang entstanden neue Tischgeräte und -sitten. Bis 1715/20 blieb der Kaffee ein teures und exquisites Getränk der Oberschicht.

Ab diesem Zeitpunkt wurde das Kaffeetrinken in der bürgerlichen Schicht im nördlichen Deutschland und in Sachsen geläufig. Die Handelsbeziehungen zu den großen Handelsmächten Großbritannien, Niederlande und Frankreich regten die Verbreitung des Kaffees in den niederen Schichten an. Im Gegensatz zur Oberschicht spielte hier nicht die Form, sondern die Wirkung des Getränkes die entscheidende Rolle. Kaffee gilt als nüchternes Getränk, welches für einen klaren Kopf und ernsthafte Geschäfte sorgt. Im Kontrast dazu der Alkohol, der die Unfähigkeit und Faulheit des Alkoholtrinkers dagegensetzt. Als Geist anregendes Getränk prägte es die Kaffeehauskultur der Aufklärung. Der bürgerliche Mensch im 17. Jahrhundert arbeitet vor allem geistig. Der Kaffee als bürgerliches Getränk der Neuzeit beschleunigt die Wahrnehmungsvorgänge und hält künstlich wach, was die Arbeitszeit intensiviert und verlängert. Im Unterschied zur Oberschicht trank das Bürgertum seinen Kaffee nur in der Öffentlichkeit, im Kaffeehaus. Erst 50 bis 100 Jahre später verbreitete sich die Sitte den Frühstücks- und Nachmittagskaffee zu Hause einzunehmen. Was vor allem die Frauen in Form des neuen privatgesellschaftlichen Ereignisses, dem Kaffeekränzchen, zelebrierten. Die Männer gingen weiterhin ins Kaffeehaus.


Künstler im Cafe Greco in Rom, Ludwig Passini, 1856

Mitte des 18. Jahrhunderts drang der Kaffee auch in die unteren Schichten und in die ländlichen Gegenden. Dabei ist jedoch zu bemerken, dass reiner Bohnenkaffee nur gelegentlich auf den Tisch kam und nicht selten mit Kaffeesurrogaten "gestreckt" bzw. durch diese ersetzt wurde.

Die Theorie des "sinkenden Kulturgutes" stammt von dem Bonner Volkskundler und Germanist Hans Naumann (1886-1951). Alle Neuerungen verortet er in der Oberschicht. Durch Nachahmung des Verhaltens orientieren sich sozial niedere an höher stehenden Schichten. Am Beispiel des Kaffeetrinkens zeigt sich deutlich, wie das Bürgertum bestrebt ist, Verhaltensmuster des Adels zu imitieren. Kaffee verlor seine sozial hohe Wertigkeit und entwickelte sich vom Luxusgetränk zum allgemeinen Volksgetränk.

Der Erfolg des Kaffees war auch durch die Intergration in die Mahlzeiten und Entstehung neuer eigenständiger Mahlzeiten begründet. Es entstanden Kaffee-Brot-Frühstück und Vesper mit Kaffee und Kuchen. Zu den warmen Getränken passten kein Brei oder Suppe - mit Butter und später mit süßem Aufstrich bestrichene Brotspeisen zum Frühstück wurden obligatorisch. In gehobenen Bürgerfamilien war das Kaffee-Brot-Frühstück seit dem 18. Jahrhundert die bevorzugte Frühstücksform. In den einfachen bäuerlichen Familien setzte sich diese Frühstücksform nur zögerlich durch. Das Festhalten an den traditionellen Milchbreien und -suppen äußerte sich im "Kaffeeessen": Surrogatkaffee und Milch wurden über Brotstücke gegossen und mit dem Löffel verzehrt. Vielleicht rührt das Eintunken des Butterbrötchens in den Kaffee, wie es bis heute vor allem bei vielen der älteren Generation praktiziert wird, noch von dieser bäuerlichen "Übergangslösung". Dies ist eine interessante These, der nachgegangen werden sollte.

 

Literatur (Auswahl):

Albrecht, Peter: Kaffeebohnen. Gefärbt, gezuckert, lackiert und nachgemacht, S. 211-233. In: Hirschfelder, Gunther; Mohrmann, Ruth-E. [Hrsg.]: Kulturhistorische Nahrungsforschung in Europa. Festschrift für Günter Wiegelmann zum 80. Geburtstag, Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde (53), 2008.

Schievelbusch, Wolfgang: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft. Geschichte der Genussmittel, Frankfurt a.M. 1990.    

Wiegelmann, Günter; Krug-Richter, Barbara [Mitarb.]: Alltags- und Festspeisen in Mitteleuropa. Innovationen, Strukturen und Regionen vom späten Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Münster [u.a.] 2006.